INTERVIEW MIT MARTIN SABEL

 

Hallo Martin.

Du sprichst bei der neuen EUROPA-Serie DRAGONBOUND den etwas schusseligen Dogo und führst zusätzlich auch Dialogregie. Bevor ich jetzt aber näher auf deine verschiedenen Rollen bei DRAGONBOUND eingehe, stelle dich doch erst einmal den Hörspielfans vor…

Sehr gerne! Mein Name ist Martin Sabel, ich lebe in Hamburg und arbeite seit ca. 10 Jahren als Schauspieler und seit ca. fünf Jahren auch vermehrt als Sprecher.

Wie sieht deine ganz persönliche Hörspielgeschichte aus? Warst du schon immer ein Hörspieler und hat EUROPA dich auch schon in deiner Kindheit begleitet?

Aber sicher. Als Kind habe ich Hörspiele verschlungen - die ??? waren natürlich auch dabei. Später, als Jugendlicher hatten sich meine Interessen dann in Richtung Film/Computerspiele verschoben. Nachdem ich Schauspieler wurde habe ich dann wieder angefangen, vermehrt Hörspiele zu hören, allerdings weniger nur als Konsument, sondern eher mit einem "künstlerischen Ohr" - um von den anderen Hörspielmachern und -Sprechern zu lernen.

Wenn man deine Vita so durchliest, dann war der Beruf des Sprechers, Schauspielers und Regisseurs wohl nicht immer dein Wunschberuf – von der Banklehre zum Schauspieler ist ja nicht unbedingt klassisch. Gab es da ein Erlebnis, ein Hörspiel, einen Film oder Sonstiges das dich auf den “richtigen“ Weg geführt hat?

Doch, doch, eigentlich wollte ich bereits nach dem Abitur am liebsten Schauspieler werden. Allerdings komme ich nicht gerade aus einer künstlerischen Familie und mein Vater - ebenfalls Banker und mit einer realistischen Sicht gesegnet, was die Erfolgsaussichten dieser "brotlosen Kunst" anbelangt - rang mir mein Einverständniss zu folgendem Deal ab: "Mach´ erstmal was anständiges, dann sehen wir weiter".

Nun, die Banklehre habe ich durchgezogen, obgleich sich für mich sehr schnell bestätigte was ich vorher schon ahnte: "Das ist nicht ganz das richtige für mich."

Ich wollte einen Beruf ausüben, bei dem ich "etwas" individuelles herstelle - etwas, das meine Handschrift trägt. Ich wollte am Ende sagen können: " Hier, das ist von mir."
Als Banker erhält man allenfalls die Option, andere bei ihren Projekten zu finanzieren. Ich wollte aber mein Geld damit verdienen, etwas "eigenes" zu machen.

Tischler, oder Architekt wäre also eher mein Ding gewesen. Da mir dafür aber das richtige Händchen fehlte, bin ich eben Schauspieler geworden. Ich glaube, das Schlüsselerlebniss zu diesem Berufswunsch war ein Dialogsatz in einem Film, dessen Titel ich nicht mehr im Kopf habe. Jemand sagte: "Entweder man hat Talent für die Schauspielerei, oder man hat es nicht." Nachdem ich diesen Satz gehört hatte, sagte ich mir "Mal sehen, ob ich Talent habe", und meldete mich zum Vorsprechen an der Schauspielschule an. Naja, ob ich nun Talent habe oder nicht, kann ich bis heute nicht definitiv beantworten, aber seit dem Verlassen der Schauspielschule verdiene ich zumindest meinen Lebensunterhalt mit der Schauspielerei.

Du hast ja auch schon bei einigen anderen Hörspielen mitgesprochen. Mir ist aufgefallen, dass ein großer Teil von den Titeln doch sehr fantasyaffin ist, z.B. Caine, Legend, Drizzt, Professor Zamorra, Traumwandler und Gordon Black u.a.. Hast du einen Hang zum Fantastischen oder haben die fantastischen Themen einen Hang zu Martin Sabel?

In meiner Jugend hatte ich eine grosse Affinität zur Fantasy. Ich kannte alle Filme, alle wichtigen Bücher und habe alle damaligen Fantasyrollenspiele ausprobiert. Später verlagerte mein Interesse sich Richtung Mystery / Thriller. Dennoch verfüge ich noch immer über ein gewisses Grundwissen was das Fantasygenre anbelangt und habe Spass für dieses Genre zu arbeiten, auch wenn ich privat für andere Genres ebenso offen bin.

Hast du irgendwelche Vorbilder, die dich in deinem Sprech- u. Schauspieldasein besonders beeindruckt oder geprägt haben?

Wirkliche Vorbilder habe ich nicht. Es gib einige Sprecher, die ich sehr schätze und auch bewundere wie zum Beispiel Torsten Michaelis oder Jürgen Kluckert, aber ich sehe sie nicht als Vorbilder. Es wäre sinnlos, ihnen nachzueifern. Wenn ich versuchen würde, so zu sprechen wie Jürgen Kluckert, so KANN das nicht gutgehen, da ich die stimmlichen Voraussetzungen gar nicht mitbringe.
Wenn ich als Sprecher arbeite, lasse ich einfach den Text auf mich wirken und lasse mich dann davon überraschen, was meine eigene Stimme daraus macht, bis ich und mein Auftraggeber zufrieden sind.
Wie bereits gesagt, höre ich mir oft und gerne die Arbeiten anderer Profis an und erweitere auf diese Weise meinen künstlerischen Horizont. Ich "lausche und lerne" und lasse mich insofern bestimmt auch (meistens unbewusst) von anderen Kollegen inspirieren, aber ich bin nicht darauf aus, andere konkrete Sprecher nachzuahmen.

Sicherlich gibt es einige Hörspielhörer die nicht genau wissen was man sich unter Dialogregie vorstellen kann. Beschreibe doch einmal den Job eines Dialogregisseurs am Beispiel von DRAGONBOUND.

Sobald einer unserer Sprecher in der Aufnahmekabine sitzt und eingepegelt ist, besteht meine Aufgabe darin, am Anfang die Aufnahmetaste und am Ende die Stoptaste zu betätigen. Die Zeit dazwischen nutze ich dann, um nach jedem Take (also jedem aufgenommenen Satz) ausgiebig an der Arbeit des armen Deliquenten herumzumäkeln;-)

Es gib ein paar Elemente, die eine gute von einer schlechten Aufnahme unterscheiden, und ich versuche durch mein Einwirken dafür zu sorgen, dass am Ende die guten Elemente überwiegen. Dazu gehören zum Beisiel das "Beibehalten der Sprechweise der jeweiligen Figur bei allen Takes", die korrekte Aussprache von Namen und Fremdwörtern, die "der jeweiligen Szenensituation angepasste Emotionalität", sowie die "der Situation angepasste Sprechweise", wenn die Figur etwa gegen einen Sturm anbrüllt oder im Meer treibt und beim Sprechen immer wieder Wasser schluckt.

Wir nehmen jeden Sprecher einzeln auf und schneiden die Aufnahmen im Nachhinein zu Dialogen zusammen. Es gilt also auch bei den Aufnahmen darauf zu achten, dass sie in Sachen Lautstärke und Betonung zu den bereits getätigten Aufnahmen des jeweiligen Dialogpartners passen.

Glücklicherweise haben Peter Lerf (der Autor von Dragonbound) und ich festgestellt, dass wir eine ähnliche Vorstellung davon haben, wie seine Texte gesprochen werden sollen. Bei einigen Aufnahmen ist er per ISDN-Leitung life bei den Aufnahmen dabei und kann übers Telefon ebenfalls Anweisungen geben. Manchmal führe ich die Aufnahmen auch alleine durch, und der Sprecher muss nur mich "ertragen". In solchen Fällen stimmen wir uns vorher über unsere Vorstellungen ab, wie die Aufnahmeresultate im idealfall klingen sollten.

Wie ist es den eigentlich für eine eigene Rolle Dialogregie zu führen?

Eigentlich ist meine Arbeit erstmal nicht anders, als die Arbeit für einen externen Auftraggeber.
Ich lasse den Text auf mich wirken und lege dann einfach mal los. Wie gesagt habe ich meistens eine ziemlich genaue Ahnung davon, wie Peters Texte am Ende klingen sollten.

Ich nehme mich also auf und arbeite dabei zunächst nur wie ein Sprecher.
Danach höre ich mir die Aufnahme an und arbeite dabei dann wie ein Regisseur.
Wenn ich dann mit der Aufnahme unzufrieden bin, sagt der "Regisseur" in mir dem "Sprecher" in mir: "nochmal!"

Wie schon erwähnt sprichst du den Magier Dogo bei DRAGONBOUND.  Wie bist du an die Rolle herangegangen, da Dogo ja nicht unbedingt ein Magier ist wie man sich einen Magier im Allgemeinen vorstellt. 

Wenn ich Dogo mit wenigen Stichworten beschreiben sollte, so würde mir nicht zuerst das Wort "Magier" einfallen. Er ist in erster Linie die kompische Figur - so in etwa das, was bei Shakespeare der Narr gewesen wäre. Etwas tollpatschig und nicht gerade von Glück gesegnet, dabei aber gutmütig und in dieser Kombination ein bisschen midleiderregend und daher Sympathieträger. Eine Rolle, die etwas Leichigkeit und Heiterkeit in die Geschichte bringt. Wir brauchten also eine Figur mit diesen Eigenschaften, und diese Eigenschaften wollte ich hörbar machen.

Sein Beruf "Magier". oder vielmehr "Möchtegernmagier" ist an sich austauschbar (das "Möchtegern.." ist wichiger, als das "...magier"). Er hätte auch "Möchtegernschneider" oder "Möchtegernschauspieler" sein können, die Figur in ihrer Funktionalität in der Geschichte wäre dieselbe geblieben.

Ich hatte vor zwei Jahren mal ein kleinen Hörspiel produziert um es meinem Vater zum 80 Geburtstag zu schenken. Alle darin enthaltenen Rollen habe ich selbst gesprochen, und die Hauptfigur dieses Hörspieles war der vom Pech verfolgte Antiheld "Fridolin Schnurps". Als Peter dieses Hörspiel mal gehört hatte, meinte es: "Fridolin ist eigentlich genau so, wie ich mir Dogo vorstelle." - damit war Dogo geboren.

Die Sprache von Dogo ist ja passend zur Geschichte etwas altertümlich und auch leicht „verhaspelt“, hat dir das mehr als andere Rollen abverlangt?

Nein, eigentlich nicht, da die Rolle sehr klar charakterisiert ist. Dieses "Verhaspelte" ist Teil seiner Charakterisierung und somit jederzeit relativ leicht produzierbar, weil es einfach zu ihm passt.

Schwierig sind nur Rollen, die ich aufgrund des Textes nicht klar erfassen kann - die schwammig charakterisiert sind - die mal auf eine bestimmte Art und Weise agieren und an anderer Stelle ohne Motivation ganz anders. Zum Glück waren alle Rollen, die ich bisher sprechen durfte sehr klar definiert.

Jetzt mal Hand auf’s Herz. Ich glaube ja das in Dogo noch einiges mehr steckt als er bisher gezeigt hat. Wann kommt Dogos großer Durchbruch?

"Eines Tages werde ich der grösste Magier von ganz Norland sein, ach was sag´ ich, der ganzen Welt."
... aber wir wollen mal nicht zuviel vorwegnehmen, oder?
Heutzutage sehen sich die verschiedenen Sprecher bei den Aufnahmen ja kaum noch, da alle Rollen getrennt eingesprochen werden. Als Dialogregisseur wiederum hast du sicherlich alle Sprecher kennengelernt.  In der zweiten Folge spricht die tolle Ulrike Stürzbecher die Rolle der Lavinia. Wie war die Zusammenarbeit mit der Frau die solch bekannten Frauen wie Kate Winslet, Jennifer Aniston und Patricia Arquette synchronisiert?
Grossartig und sehr professionell. Was soll ich sagen: Sie ist ein sehr freundlicher und umgänglicher Mensch, und bei den Aufnahmen hätte ich theoretisch auch zuhause bleiben können - Ihre Aufnahmen waren immer ziemlich auf den Punkte. Peter und ich hatten eigentlich niemals was zu meckern.

Wie sehen deine Pläne für die Zukunft aus? Gibt es da einige spannende Dinge von denen du uns erzählen magst?

Es gibt eher Vorhaben, als Pläne.
Ich habe ich es aufgegeben meinen beruflichen Werdegang langfristig zu planen, da das für einen Schauspieler eigentlich gar nicht möglich ist. Viele Geschehnisse (Besetzungen in Filmes, Theaterengagements, etc.) passieren manchmal ziemlich kurzfristig und unter nur minimalen Möglichkeiten der vorherigen Einflussnahme - Sie können aber einen grossen Einfluss auf den weiteren Werdegang nehmen. Der Beruf des Schauspielers hat somit den Vorteil, immer spannend zu sein. Ich weiss noch nicht, was ich in - sagen wir - zwei Jahren machen werde.

Ich werde mich auf jeden Fall in meinen Tätigkeiten erstmal weiterhin auf den Hörspielsektor konzentrieren, weil ich ein grosses diesbezügliches Interesse bei mir festgestellt habe. Momentan liegt unser primärer Fokus natürlich auf der Produktion der nächsten Dragonboundfolgen. Peter und ich gehen mit ein paar Ideen für weitere Hörspielserien schwanger, die wir möglicherweise in den kommenden Monaten / Jahren angehen werden.
Time will tell...

Jetzt möchte ich von dir noch ein paar Hörspielempfehlungen. Wie sieht deine persönlich Top Ten aus?

Zehn Titel in eine bestimmte Reihenfolge zu bringen fällt mir etwas schwer.
Es gibt ein paar Serien, die mir sehr gefallen haben. Dazu gehören neben "Gabriel Burns", den drei "???" und den meisten LAUSCH - Serien (allen voran CAINE wg. des abgedrehten Inhaltes) auch zum Beispiel "Traumwandler".
Als recht vielversprechend in Bezug auf den zukünftigen Output habe ich die Debutfolge des Labels fears4ears mit dem Titel "Horror-Haus - Owls Creek" in Erinnerung.
Die Machart der ersten Folge der Serie "Mitschnitt" empfand ich aufgrund der authentischen Machart als ziemlich intensiv. Von dieser Serie kenne ich allerdings bislang nur die erste Folge.
Ausserdem möchte ich an dieser Stelle noch das Hörspielprojekt-Hörspiel "Die Windsängerin" erwähnen. Es ist nicht nur kostenlos sondern auch wirklich recht hörenswert (und das schreibe ich jetzt nicht, weil ich dort mitwirke).

Interview: Dirk Eichhorn

 

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